Berufsunfähigkeit: Das unterschätzte Risiko

Gerade in ihrer Jugend dürften die meisten Menschen davon träumen, im Laufe ihres Lebens größtenteils gesund zu bleiben, beruflich erfolgreich zu werden und diesen Status über viele Jahrzehnte halten zu können. Doch das Risiko, vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, ist äußerst hoch und wird gemeinhin unterschätzt. Auch die Illusion, dass die staatliche Rente solche Einkommensausfälle auch nur annähernd abdecken könnte, ist nach wie vor weit verbreitet.

Aktuellen Zahlen der deutschen Versicherungsbranche zufolge scheiden heutzutage etwa 25 Prozent aller arbeitenden Personen vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus. Jeder vierte Mensch zwischen 51 und 60 Jahren wird hierzulande aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig nicht mehr in der Lage sein, einen Beruf ausüben zu können, sei es aufgrund einer schwerwiegenden Krebserkrankung, eines Unfalls oder wegen chronischer Rücken- und Bandscheibenbeschwerden.

Der häufigste und am signifikantesten wachsende Grund für frühzeitige Berufsunfähigkeit ist allerdings eine häufig schwere Erkrankung der Psyche, allen voran Depressionen und / oder das Burnout-Syndrom, unter welchem jeder zweite Mensch im Laufe seines Lebens mal mehr, mal weniger leidet. „Klassische“ Beschwerden wie etwa chronische Rückenbeschwerden, Gelenkschmerzen und vergleichbare Einschränkungen treten in einigen Berufsgruppen häufiger auf als in anderen, etwa in Pflegeberufen. Doch schwere Erkrankungen wie Krebs oder Depressionen können jeden treffen – hier gibt es keine Berufsgruppen, die besser geschützt sind als andere.

Besonders die Angst vor einer Berufsunfähigkeit durch schwere Erkrankungen der Psyche hat in den letzten Jahren auch aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie stark zugenommen. Vor 2020 hatten nur rund 30 Prozent aller befragten Männer Sorge vor einer Berufsunfähigkeit mit psychischen Ursachen. Nach etwa zwei Jahren und signifikant weniger sozialen Interaktionen, teilweise auch sozialer Isolation, ist dieser Wert auf 48 Prozent und damit fast die Hälfte aller Männer gestiegen. Bei den Frauen sind es sogar 58 Prozent, die Angst haben, aufgrund von Depressionen und vergleichbarer Erkrankungen frühzeitig nicht mehr erwerbsfähig zu sein.

Berufsunfähigkeit: Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente reicht nicht aus

Ein heute 20-jähriger Mann hat momentan eine 43-prozentige Wahrscheinlichkeit, vor dem Renteneintritt – das Eintrittsalter liegt momentan noch bei 65 Jahren – berufsunfähig zu werden. Bei den Frauen liegt dieser Wert immerhin noch bei 38 Prozent. Noch höher sind allerdings die Anteile in Bezug auf die Illusion, dass die gesetzliche Erwerbsminderungsrente im Falle einer Berufsunfähigkeit ausreichen würde, um die eigenen Lebenserhaltungskosten abdecken zu können.

Insgesamt 54 Prozent aller befragten Personen, also mehr als die Hälfte der Frauen und Männer in Deutschland, gehen davon aus, bei einer vorzeitigen Berufsunfähigkeit vom Staat finanziell so gut kompensiert zu werden, um den eigenen gewohnten Lebensstandard halten zu können.

Doch selbst, wer eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten würde, also weniger als drei Stunden täglich arbeiten könnte, erhielte im besten Fall die Hälfte des ursprünglichen Nettogehalts. Bei einer halben Erwerbsminderungsrente würde sich der Betrag sogar auf ein Viertel des ehemaligen Nettogehalts verringern. Der „normale“ Lebensstandard könnte gerade in diesem Fall unter keinen Umständen fortgeführt werden.

Genau aus diesem Grund schließen zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine sogenannte Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Diese dient der privaten Absicherung des eigenen Unterhalts im Falle einer Berufsunfähigkeit aufgrund einer schweren Erkrankung oder eines Unfalls. Stellen Ärzte in der Folge eine Berufsunfähigkeit fest, zahlt die private Versicherung nach einer bestimmten Frist die vertraglich zuvor festgelegte Monatsrente aus – entweder bis zum Ende der Berufsunfähigkeit oder dem Ende der Vertragslaufzeit, bestenfalls zum Zeitpunkt des Eintritts ins die Altersrente.

Die möglichen Tricks der Berufsunfähigkeitsversicherungen

Doch kann es passieren, dass Personen, die berufsunfähig geworden sind und nun die vertraglich vereinbarten und oftmals seit vielen Jahren finanzierten Leistungen ihrer BU-Versicherung in Anspruch nehmen wollen, von ihrem Versicherer abgewiesen und blockiert werden. Diese weigern sich in solchen Fällen, eine Berufsunfähigkeit anzuerkennen und die vereinbarten monatlichen Leistungen auszuzahlen. Für die Versicherten wird eine Lebenssituation, die durch die Berufsunfähigkeit ohnehin schon äußerst schwierig geworden ist, durch dieses Ausweich- und Abwehrverhalten seitens der Versicherung nur noch stressiger und belastender.

Gerade bei den genannten psychischen Krankheiten und Ursachen für eine Berufsunfähigkeit, vor allem schwere Depressionen oder Burnout, weigern sich Versicherer beizeiten, diese auch anzuerkennen. Stattdessen sollen Institute, die mit den Versicherungen kooperieren, mithilfe belastender Sachverständigengutachten „feststellen“, dass die berufsunfähige Person möglicherweise gar nicht so depressiv und / oder ausgebrannt ist wie ursprünglich medizinisch festgestellt. Damit soll nachgewiesen werden, so die Intention solcher Versicherungen, dass die berufsunfähige Person nach wie vor arbeiten kann und die vereinbarte BU-Monatsrente damit auch nicht ausgezahlt werden muss.

Weitere zweifelhafte Vorgehensweisen der Versicherungen beinhalten unter anderem ein Hinauszögern von Leistungsanträgen über viele Jahre durch ein ständiges Nachfordern von immer mehr medizinischen Untersuchungsunterlagen und vergleichbaren Nachweisen. Alternativ wird der versicherten Person auch unterstellt, beim Abschluss des Versicherungsvertrags wichtige gesundheitliche Angaben bewusst verschwiegen zu haben. Auch kommt es vor, dass Versicherungen gegen Aufhebung des Vertragsverhältnisses eine Abfindung anbieten, die allerdings weit unter den ursprünglich vereinbarten Leistungen liegt.

Wenn die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zahlen will: Was kann ich tun?

In solchen Fällen ist es essenziell, eine erfahrene Fachanwaltskanzlei zu kontaktieren und mit dieser die individuelle Vorgeschichte zur eigenen Berufsunfähigkeit ausführlich zu besprechen. Hierbei ist es besonders wichtig, kompetente Anwälte zu konsultieren, die sich auf das komplexe Feld der Berufsunfähigkeitsversicherungen, -zusatzversicherungen und der Berufsunfähigkeitsrenten spezialisiert haben. So können Betroffene ihre ihnen zustehenden Leistungsansprüche auf eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente gegenüber der Versicherung ohne Kompromisse voll durchsetzen.