Der Vatikan veröffentlicht Richtlinien für nachhaltiges und ethisches Investieren

Aus der Sicht der Religion betrachtet der Vatikan in dem Ende November herausgegebenen Dokument “Mensuram Bonam” (Für gutes Maß) die Vorgaben für glaubenskonformes Anlageverhalten. Das Papier, das zunächst als Richtlinie für Investitionen katholischer Einrichtungen vorgesehen ist, eignet sich allerdings auch für weltliche Investoren, wenn ihnen die ethischen Implikationen nachhaltigen Investierens besonders am Herzen liegen.

Die in Lateinisch abgefasste Schrift steht auch in einer englischen Übersetzung zum Download bereit. Sie betrachtet Anlagestrategien aus der Perspektive der katholischen Soziallehre. Das erweitert den ESG-Begriff auf ganz spezielle Weise: So dürfen in Investments nach dem Prinzip von Mensuram Bonam beispielsweise keine Unternehmen enthalten sein, die Verhütungsmittel herstellen oder die Abtreibung fördern.

Anlagekriterien auf dem Boden der katholischen Glaubenslehre

Die Schrift geht von dem Grundsatz aus, dass keine Geldanlage moralisch neutral ist. “Entweder die von uns eingesetzten Mittel bringen das Reich Gottes voran, oder sich unterminieren und vernachlässigen es”, heißt es in dem Dokument.

Mensuram Bonam appelliert in erster Linie an katholische Investoren und Bischofskonferenzen. Sie sollen Investmentkriterien im Einklang mit der katholischen Tradition schaffen und ein auf Solidarität basierendes Engagement fördern, nicht mit dem alleinigen Fokus auf finanzielle Erträge. Das entspricht in etwa auch den ESG-Kriterien, ist aber in der Durchführung spürbar restriktiver und dogmatischer.

Es gehe um die Menschenwürde, die Sorge um die Schöpfung und integratives Wachstum durch gemeinsames Handeln, so das Vatikanpapier. Und auch einen weiteren Begriff stellt Mensuram Bonum in den Mittelpunkt, der in der Welt der globalen Investments eher selten anzutreffen ist: Liebe.

Themenliste für ethisches Investieren

Mensuram Bonam führt 24 Ausschlusskriterien an, die bei der Investitionsentscheidung Berücksichtigung finden sollten. Darunter sind Punkte, wie sie auch in ESG-Investments gang und gäbe sind, beispielsweise Kernkraft, Rüstung, Pornographie, Korruption oder Diskriminierung. Die besondere religiöse Note erhält der Kriterienkatalog allerdings durch Themen wie Abtreibung, Verhütungsmittel, embryonale Stammzellenforschung, Computerspiele (!), totalitäre Gewalt und Unterdrückung, genetisch manipuliertes Saatgut oder ausbeuterischen Rohstoffabbau.

Investieren im Einklang mit Gottes Fürsorge und Gnade

Mensuram Bonam entstand aus der anfänglichen Arbeit des Dikasteriums zur Förderung der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen unter Leitung von Kardinal Peter Turkson, der jetzt Kanzler der Päpstlichen Akademie ist. „Keine menschliche Angelegenheit oder Erfahrung, einschließlich des Investments, bewegt sich außerhalb von Gottes Fürsorge oder außerhalb der Reichweite von Gottes Gnade“, heißt es in dem Papier. Entsprechend sollen Anlageentscheidungen nicht widersprüchlichen Kriterien unterliegen.

“Es macht für eine katholische Einrichtung keinen Sinn, bei Investitionen von der Ausbeutung von Menschen und Umwelt zu profitieren, um gleichzeitig zu behaupten, das Geld sei nötig, um Menschen oder Umwelt zu helfen”, erläutert Kardinal Turkson.

Dennoch soll Mensuram Bonam lediglich vorschlagenden Charakter haben und nicht als bindendes Regelwerk fungieren. Religiöse Orden, katholische Einrichtungen und Bischofskonferenzen sollten durchaus eigene Anlagestrategien entwickeln. Das Vatikanpapier solle dabei helfen, die Abstimmung zwischen Vermögensverwaltung und der umfassenden Mission der Kirche zu verbessern, vor allem durch eine intensivierte Zusammenarbeit katholischer Vermögenseigentümer – sowohl national als auch international.

Erste Auswirkungen von Mensuram Bonam gibt es bereits. So hat die Vatikanbank kürzlich eine interne Richtlinie für glaubenskonforme Investitionen verabschiedet. Darin sind Regeln für sozial verantwortliche Anlagestrategien enthalten.

Bezeichnend ist, dass sich die Vatikanbank in ihrem Papier ausdrücklich auf ESG-Kriterien und Impact Investing beruft. Allerdings gehe glaubenskonformes Investieren weit über diese Richtlinien hinaus. So heißt es in dem Dokument: “Eine besondere Rolle spielt hierbei die katholische Soziallehre und ihre Vision des Menschen, seiner ganzheitlichen Entwicklung und Berufung in Beziehung zu Gott, zu anderen Personen und zur Schöpfung.”

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