Die deutschen Innenstädte: Erwartungen und Chancen

Spätestens nach dem weltweiten Ausbruch der Corona-Pandemie und der Lockdown-Phasen haben sich die Erwartungen und Wünsche der Menschen in Bezug auf die Innenstädte Deutschlands noch mehr verändert als schon in den letzten Jahren. Der stationäre Handel muss sich verändern, auf seine Stärken besinnen und neue Kooperationsmöglichkeiten finden, statt im direkten Duell mit dem immer beliebteren Online-Shopping letztlich den Kürzeren ziehen zu müssen.

Während eCommerce und der Handel im Internet boomen und sich in sämtlichen Bevölkerungsgruppen immer größerer Akzeptanz und Verbreitung erfreuen, sind in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche deutsche Innenstädte scheinbar einfach „vergessen“ worden und immer weiter verödet. Einst hochfrequentierte Einkaufsstraßen und -zentren kämpfen nicht erst seit einigen Jahren mit Leerstand und Verwahrlosung. Frühere Konsumtempel einst bedeutender Handelskonzerne wurden im Laufe mehrerer Übernahmen und Konkursmeldungen immer weiter verkleinert oder gleich vollständig abgerissen.

Diese Entwicklung wurde nicht erst durch die Corona-Pandemie ausgelöst, durch diese aber rapide beschleunigt. Doch viele Experten glauben noch nicht an eine Art endgültiges Aussterben der deutschen Innenstädte, sondern sehen diverse Chancen für eine Renaissance der Stadtzentren als neue Hubs nicht nur des Shoppings, sondern auch der Kultur und des sozialen Lebens – sofern die Innenstädte die Zeichen der Zeit erkennen und sich radikal neu erfinden.

Innenstädte haben großes Potenzial, müssen sich allerdings neu erfinden

Gerade während der Lockdown-Phasen in den Jahren 2020 und 2021 wurde deutlich, dass große Teile der Bevölkerung laut diverser Umfragen nicht nur eine ausgeprägte Solidarität mit lokalen, zumeist bekannten Einzelhändlern an den Tag gelegt, sondern sich besonders auf die Wiedereröffnung der Innenstädte gefreut haben. Die Bedeutung der Innenstädte Deutschlands ist vielen gerade in der Zeit des Verzichts deutlich geworden – nicht unbedingt nur als reiner Ort des Handels und Shoppings, sondern besonders als sozialer Treffpunkt für gemeinsame Aktionen mit Familie und Freunden, oftmals verbunden mit dem Besuch eines Eiscafés oder Restaurants.

Für die Verantwortlichen gilt es daher in Zukunft, den Menschen interessante Konzepte für die Innenstädte anzubieten und eine Vermischung der Bedürfnisaspekte Convenience (effizientes, kontaktarmes oder -freies Einkaufen, zumindest von Lebensmitteln und anderen essenziellen Produkten) und Experience (auf Emotion und soziale Interaktion fokussiertes „Eventshopping“) zu ermöglichen. Die Ansprüche und Wünsche des Kunden müssen in jedem Fall im Mittelpunkt stehen – ganz egal, ob aus Sicht des Handels, der Gastronomie oder der Kultur.

Die Kooperation dieser zentralen Aspekte einer jeden Innenstadt wird in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Statt vieler kleinerer Unternehmen, die allesamt ihr eigenes Süppchen kochen wollen, gilt es in Zukunft, auch branchenübergreifend und unter der eigentlichen Konkurrenz mögliche Kooperationspartner zu finden, um die Innenstadt wieder zu einem interessanten und vor allem einladenden Ort für die Menschen zu machen.

Statt sich durchweg mit dem Online-Handel und eCommerce in einen existenziellen Konkurrenzkampf zu begeben und dort eine Schlacht zu schlagen, die nicht gewonnen werden kann, sollten sich die Innenstädte wieder auf ihre eigentlichen Stärken und vor allem ihre zukünftigen Potenziale konzentrieren. Denn Online-Shopping und die großen Onlineversandhändler mögen zwar in puncto Convenience die Nase vorn haben, bieten aber im Kern keine wirkliche Experience – es gibt keinerlei soziale Aspekte noch hat eine kurze Bestellung irgendeinen besonderen Eventcharakter.