Die Entwicklung der E-Mobilität hängt von der Ladeinfrastruktur ab

Die aktuelle Situation bei den Treibstoffpreisen zeigt auf drastische Weise die Achillesferse eines auf fossilen Energieträgern basierenden Verkehrswesens auf: die immense Abhängigkeit von Lieferländern mit nicht vorhersehbarer Versorgungsstabilität – von den ökologischen Auswirkungen ganz zu schweigen. Erst E-Mobilität erlaubt eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik, doch die kann sich nur bei einer praxistauglichen Infrastruktur bei den Ladestationen nachhaltig durchsetzen.

Ein wichtiger Impuls hin zu einer alltagstauglichen Ladeinfrastruktur wird zweifellos von den gewerblichen Fahrzeugflotten ausgehen. Auf der einen Seite steigt der Druck auf die Unternehmen, ihre Flotten umweltfreundlich und klimaneutral zu gestalten. Auf der anderen Seite erfordert diese Vorgabe eine Infrastruktur, die den effizienten und flächendeckenden Betrieb von Elektrofahrzeugen erlaubt, und das möglichst über Ländergrenzen hinweg.

Optimierungsbedarf bei Reichweite und Ladedauer

Gewerblich genutzte E-Fahrzeuge unterliegen hohen Effizienzansprüchen. In der Regel lassen sie sich nur wirtschaftlich einsetzen, wenn keine zu langen Leerzeiten durch Ladevorgänge entstehen. Für eine effektive Routenplanung ist zudem ein Ladenetz in praxistauglicher Dichte erforderlich.

Das strategische Ziel europäischer E-Mobilität muss demnach ein dicht geknüpftes Netz an Ladestationen mit hoher Ladekapazität sein. Wie groß die Nachfrage danach ist, zeigen die Reaktionen auf das Förderprogramm “Ladeinfrastruktur vor Ort” des Bundesverkehrsministeriums, das am 31. Dezember 2021 auslief. Obwohl das Programm mit einem Gesamtetat von 300 Millionen Euro ausgestattet war, reichten die Mittel nicht aus: Bis Ende der Einreichungsfrist gingen Anträge im Gesamtwert von 363 Millionen Euro beim Ministerium ein.

Ladeinfrastruktur erfordert gemeinsame Anstrengungen

Es genügt allerdings nicht, nur öffentliche Ladestationen bereit zu stellen. Müssten sie die gesamte Ladeleistung übernehmen, ließe sich das Ladenetz nicht wirtschaftlich aufbauen. Hinzu kommen Lademöglichkeiten am Wohnort und am Arbeitsplatz, also Vorhaben, die in den Aufgabenbereich von Wohnungsbauunternehmen und Arbeitgebern fallen. Erst die gemeinsame Anstrengung aller am E-Verkehr beteiligten Parteien wird es ermöglichen, die internationalen Klimaziele einzuhalten.

Derzeit sind in Deutschland rund 56.000 Ladesäulen installiert. Das bedeutet allerdings nur einen Tropfen auf den heißen Stein. Laut einer Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, die 2020 im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt wurde, werden bis 2030 zwischen 440.000 und 840.000 Ladestationen benötigt, damit die vollständige Umstellung des Verkehrs auf E-Mobilität gelingen kann.

Vereinheitlichung als Gamechanger

Das Laden eines Elektroautos ist heute noch ein Vorhaben mit ungewissem Ausgang. Zu viele unterschiedliche Abrechnungssysteme und Ladekonzepte existieren derzeit noch nebeneinander her. Wäre die Situation bei den fossilen Energieträgern ähnlich, könnten Fahrzeuge mit Otto- oder Dieselmotor nur an bestimmten Tankstellen tanken, und das auch nur, wenn sie bei einem bestimmten Zahlungsabwickler registriert sind.

Eine einheitliche Ladetechnologie und ein einheitliches Abrechnungssystem sind vordringliche Eigenschaften, die eine Ladeinfrastruktur für E-Mobilität zukünftig aufweisen muss. Diese Einheitlichkeit darf sich nicht auf einzelne Länder beschränken, sondern muss in absehbarer Zeit europaweit zur Verfügung stehen, ähnlich dem IBAN-System im Bankwesen oder den Roaming-Regelungen bei Mobiltelefonen.

Mittlerweile sind sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene entsprechende Initiativen angelaufen. Grundlage dafür soll die sich gerade entwickelnde Norm ISO 15118 sein. Sie verpflichtet Betreiber von Ladestationen, ihre Anlagen frei von Diskriminierung und vollständig transparent auszulegen, so dass jedermann einen Ladevorgang einleiten kann – ohne explizite Anmeldung bei einem Zahlungsabwickler. Auch die obligatorische Akzeptanz von Debitkarten ist in dem Entwurf enthalten.

Die Chancen stehen gut, dass sich beim Laden von E-Fahrzeugen durch ISO 15118 erhebliche Verbesserungen einstellen werden. Autos sollen sich dabei selbständig an der Ladestelle zur Abrechnung identifizieren und über ein einheitliches Verfahren geladen werden. Die Zahlung erfolgt dann ebenfalls automatisch über Bankkarte oder Kreditkarte. Das könnte der entscheidende Durchbruch sein, der die Massentauglichkeit von E-Mobilität endgültig auf den Weg bringt.

 

Mehr Informationen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur finden Sie hier und hier.