Die schwierige Aufklärung von sexuellem Kindsmissbrauch in deutschen Sportvereinen

Auch in der Welt des deutschen Sports sind sexuelle Gewalt und der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ein massives Problem. Eine aktuelle Studie zeigt nicht nur das Ausmaß des Missbrauchs auf, sondern auch, dass nur ein Bruchteil der Fälle untersucht und aufgeklärt wird. Im Gegenteil – nicht wenige Sportvereine und -verbände haben ein starkes Interesse daran, Missbrauchsfälle in den eigenen Reihen zu verschleiern und Untersuchungen zu erschweren oder gar zu verhindern.

Die Ergebnisse der Untersuchung, welche im Auftrag der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindsmissbrauchs durchgeführt wurde, zeigen, dass es im deutschen Sport zu zahlreichen schweren sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen von Erwachsenen gegen Kinder und Jugendliche gekommen ist. Dabei wurde in den zahlreichen Sportvereinen das Betreuungs- und Abhängigkeitsverhältnis der erwachsenen Täterinnen und Täter ausgenutzt.

Der Auswertung der Studie liegen 72 Berichte von Opfern sowie Zeugen zugrunde – nie zuvor wurden im Kontext des deutschen Sportwesens so viele Fälle gemeldet und anschließend im Detail ausgewertet. Schon die Polizeiliche Kriminalstatistik 2021 hatte vor einiger Zeit gezeigt, dass die Zahl der Fälle von sexuellem Kindsmissbrauch in Deutschland im vergangenen Jahr um 6,3 Prozent auf mehr als 15.500 bestätigter Fälle gestiegen ist.

Kaum Interesse an der Aufklärung von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen

Dabei zeigte sich auch, dass nur sehr wenige Fälle von sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt korrekt untersucht oder gar aufgeklärt werden. Stattdessen würden die Schilderungen der minderjährigen Opfer oftmals verschleiert oder negiert werden. Besonders im organisierten Sport- und Vereinswesen gebe es ein großes Interesse daran, die Ermittlungen bei solchen Vorfällen erschweren oder gänzlich verhindern zu wollen.

Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Zentral sind allerdings die Abhängigkeit von ehrenamtlichen Mitarbeitern und das Machtgefälle beziehungsweise Abhängigkeitsverhältnis zwischen Trainern und den jungen Sportlerinnen sowie Sportlern. Ausschlaggebend ist zudem die Priorisierung der sportlichen Leistung gegenüber der körperlichen und psychischen Gesundheit der Kinder und Jugendlichen im deutschen Sport. Dieser habe in großen Teilen der Bevölkerung nach wie vor ein so positives Image, dass Opfer sexueller Gewalt im Sportwesen als unerwünschte Störenfriede oder Lügner empfunden würden.

Die vermeintliche Unfehlbarkeit des Sport- und Vereinswesens in Deutschland

Für besonderes Aufsehen in der Öffentlichkeit hatte der erst kürzlich bekanntgewordene Fall einer jungen und angehenden Spitzen-Biathletin gesorgt, welche in einem Olympia-Trainingslager Opfer eines Trainers mit einst äußerst gutem Ruf wurde. Dieser hatte das damals 13-jährige Mädchen mehrfach privat auf sein Zimmer eingeladen, sie an ihren sekundären Geschlechtsmerkmalen angefasst, geküsst und später auch wiederholt sexuell missbraucht. Eine Vertrauenslehrerin, welche damals vom Opfer eingeweiht wurde, habe nur gemeint, dass der Trainer das mit vielen Mädchen gemacht hätte, sonst allerdings nicht entsprechend reagiert.

Der Täter wurde letztlich von den Eltern einer weiteren Athletin angezeigt und 2008 wegen Missbrauch von Schutzbefohlenen und Kindern in insgesamt 38 Fällen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Recherchen der SZ und des NDR haben aufgedeckt, dass der Trainer heute wieder Mädchen und junge Frauen trainiert. Urteile zu sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen werden für 20 Jahre im erweiterten Führungszeugnis der Täter vermerkt, um zum Beispiel eine Anstellung in lehrender Position an Schulen ausschließen zu können. Während sich Schulen dieses Führungszeugnis allerdings vorzeigen lassen, gilt dies für Sportvereine in Deutschland bisher nur sporadisch.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), die bedeutendste Dachorganisation für Sportvereine, spricht bis dato lediglich eine Empfehlung aus, sich das erweiterte Führungszeugnis vorlegen zu lassen. Alle angeschlossenen Organisationen hätten sich allerdings, so der DOSB, in einem Stufenmodell dazu verpflichtet, solche und weitere Maßnahmen bis Ende 2024 bei sämtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchzusetzen.

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