Dogan Gülsen über Hindernisse auf dem Weg zu einer nachhaltigen Immobilienwirtschaft

Nachhaltigkeit ist ein Thema, um das heute keine Branche mehr herumkommt. Dass insbesondere die Immobilienbranche dabei vor großen Herausforderungen steht, zeigt sich nicht nur an meiner Heimatstadt Darmstadt. Mit 35 Prozent des globalen Energieverbrauchs gilt der Sektor zwar immer noch als Klimakiller, allerdings befindet sich die Branche wie alle anderen Sektoren auch in einem Transformationsprozess. Das lässt sich bereits an den Zahlen ablesen: Zum ersten Mal seit einer Dekade wird weniger gebaut als im jeweiligen Vorjahr. Die Zeit der ausschließlich wachstumsgetriebenen Bauwirtschaft scheint zu enden.

In Zukunft dürfte der Sektor zwangsweise mehr auf Qualität als auf Quantität setzen. Dabei steht die Energiebilanz von Immobilien im Vordergrund. So werden immer mehr nachhaltige Konzepte verfolgt, etwa indem verstärkt auf Recycling oder biologisch abbaubare Materialien gesetzt wird. Auch energieeffiziente Renovierungen werden in Zukunft deutlich populärer werden, was allerdings nicht nur mit dem Nachhaltigkeitsgedanken, sondern auch mit drohenden Energieengpässen in Verbindung steht.

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bleiben wichtigste Themen

Neben der Verwendung von ökologisch unproblematischen Materialien kommt dem Konzept der Kreislaufwirtschaft immer größere Bedeutung zu. Als Teil des zirkulären Bauens setzt zum Beispiel das Land Berlin neuerdings vermehrt auf den Einsatz von Recyclingbeton. Allerdings gibt es bei der Wiederverwertung immer noch Nachholbedarf. Allem voran fehlt es an verbindlichen Regelungen. Potenzial zu einer besseren Klimabilanz lässt sich allerdings vor allem bei der Auswahl der Baumaterialien freisetzen. Die Holzhybridbauweise zum Beispiel ist in den vergangenen Monaten immer populärer geworden. Kein Wunder, schließlich kann in der Bauphase von Holzhybrid-Häusern bis zu 50 Prozent des ausgestoßenen CO2 reduziert werden – auch wenn dabei nicht vollständig auf Stahlbeton verzichten wird. Allerdings ist diese nachhaltige Bauweise auch mit höheren Kosten und hohem Materialaufwand verbunden und kann bis zu 25 Prozent teurer als Beton ausfallen.

Und genau hier liegt ein weiteres Problem: Die energetischen Vorgaben treiben die Baukosten nach oben. Zeitgleich sind im Zuge von Corona, Ukraine-Krieg und der allgemeinen Inflation auch die Baukosten explodiert. Lieferengpässe und die inflationäre Entwicklung erschweren dabei die grüne Wende. Als wären das nicht schon genug Probleme, hat die Branche auch mit Personalmangel zu kämpfen.

Repräsentative Objekte als nachhaltige Vorreiter

In diesem Rahmen macht es Sinn, dass insbesondere große Projekte mit repräsentativem Charakter als gutes Beispiel vorangehen und zeigen, wie eine nachhaltige Bauweise in der Praxis aussieht. Denn mit der Vorreiterrolle ist auch ein Imagegewinn verbunden, der nicht unterschätzt werden sollte. An Beispielen für energieeffiziente Gebäude mangelt es jedenfalls nicht. Das Rathaus im Stuttgarter Stadtteil Stühlinger zum Beispiel wurde bereits 2018 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis prämiert. Durch 800 Solarpaneele deckt das Gebäude seinen Energiebedarf selbst und gehört damit zu den Plusenergiehäusern in Deutschland.

Dabei sollte auch Fördermöglichkeiten und Branchenstandards erneut einer ausführlichen Prüfung unterzogen und gegebenenfalls angepasst werden. Schließlich sollte sich das aktuelle Chaos bei der Fördermittelvergabe für nachhaltiges Bauen nicht wiederholen. Aufhalten lässt sich die Nachhaltigkeitswende nicht. Ihr Erfolg dürfte sich an den Parametern Lebensqualität, Nachhaltigkeit und praktischer Finanzierbarkeit entscheiden.

Über Dogan Gülsen aus Darmstadt

Dogan Gülsen ist Immobilien-Fachmann und Kopf der DCE Real Estate in Darmstadt. Nach einem Abschluss in Betriebsökonomie und einem Master of Science im Bereich Management und Finance konzentrierte sich Dogan Gülsen auf die Entwicklung und Realisierung anspruchsvoller Wohn- und Gewerbe-Objekte überwiegend in Darmstadt und dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. Mit DCE Real Estate hat Gülsen bereits das Einkaufszentrum Boulevard sowie die Wilhelminen-Passage in Darmstadt erfolgreich saniert.