ESG: Für Nachhaltigkeit nicht genug

Die Einhaltung von ESG-Kriterien ist bei der Wahl nachhaltiger Anlagestrategien eine wichtige Richtschnur. Allerdings stellen sie nur die Basis von Green Invest dar, denn Finanzen, Gewinne und Kennzahlen machen erst die Qualität des grünen Unternehmens aus. In einem Interview mit dem Magazin Focus spricht Investor Anton Vogelmaier über sein Verständnis von Nachhaltigkeit und die Kriterien, die für ein langfristiges Engagement von Bedeutung sind.

Der Investment-Profi und Fachbuchautor hat das “Wahre-Werte-Depot” aufgelegt. Der Fonds enthält nachhaltige Aktienwerte, die über die üblichen ESG-Werte deutlich hinausgehen. So gibt es in dem Depot weder Solarzellen- noch Elektroauto-Produzenten. Stattdessen enthält die Firmenliste das Kreditkartenunternehmen Visa und das Schweizer Schokoladenunternehmen Lindt & Sprüngli. Der Grund: Nach Ansicht von Anton Vogelmaier braucht auch ein nachhaltiges Unternehmen eine sichere langfristige Perspektive – und die ist nach Ansicht des Anlageexperten bei den meisten Solar- und Elektroauto-Unternehmen nicht gegeben.

Verschärfte Kriterien für nachhaltige Investments

Nach den Kriterien des Wahre-Werte-Depots sind die ESG-Grundsätze Ökologie, Sozialverträglichkeit und Compliance nur Basiswerte eines wirklich stabilen nachhaltigen Investments. Hinzu kommen Kriterien, die auf die Stabilität des Unternehmens zielen.

So müssen im Depot erhaltene Werte ihr Marktmodell mindestens zwanzig Jahre lang bewiesen haben. Zudem müssen sie eine Marktkapitalisierung von mindestens einer Milliarde Euro aufweisen und über eine Eigenkapitalquote von 50 Prozent oder mehr verfügen. Die Idee dahinter: Unternehmen, die ihre Profitabilität bewiesen haben, nur gering verschuldet sind und eine gewisse Mindestgröße erreicht haben, sind resistenter gegen Krisen und andere negative Einflüsse.

Aktien mit hohem Marktvolumen bevorzugt

Ein weiteres Kriterium, das Anton Vogelmaier für sein Wahre-Werte-Depot vorgibt, ist die Marktpotenz der Aktie an den Börsen. Der Wert soll liquide und nicht Markt-eng sein. Soll heißen: Das Kauf oder Verkauf des Wertes muss jederzeit problemlos verlaufen. Das ist nach Ansicht des Investors nicht gegeben, wenn sich das Aktienvolumen beispielsweise größtenteils in der Hand eines einzigen Investors befindet. Schnelle Verkäufe bei Turnarounds sind in diesem Fall nicht möglich.

Weitere Kriterien des Wahre-Werte-Depots gleichen denen von ESG- und Impact Investing-Fonds: keine Waffenproduzenten und keine Ölkonzerne. In einem Punkt geht das Depot über das Übliche hinaus: Werte aus der kommunistischen Diktatur China finden keinen Platz auf der Aktienliste.

Nachhaltigkeit versus Spekulation

Den besonderen Gedankenansatz des Wahre-Werte-Depots macht Anton Vogelmaier anhand des Beispiels Tesla deutlich. Der Wert verdiene erst seit gut einem Jahr richtig Geld. Zuvor wäre der Wert mehrfach fast pleite gegangen. Anleger, die den Wert 2004 gekauft haben, hätten nach Sichtweise des Anlageprofis nicht nachhaltig investiert – sie hätten spekuliert.

Das ist für die Spieler unter den Investoren ein akzeptabler Ansatz, nicht aber für Investoren, die beispielsweise für ihren Ruhestand planen. Für sie sei Tesla keine nachhaltige Investition, so Anton Vogelmaier.

Derzeit liegt die Bewertung von Tesla höher als die von BMW, Daimler und VW zusammengenommen. Damit präsentiert sich die Aktie derzeit als sicherer Tipp. Dennoch könne sich das Blatt schnell wenden, und das nicht nur wegen der exaltierten Führungsfigur Elon Musk. Ein Unternehmen, das seine Stabilität in mindestens zwanzig Jahren am Markt bewiesen hat, generiere in dieser Hinsicht deutlich geringere Risiken – meint Anton Vogelmaier.

Auch nachhaltige Werte müssen als Inflationsschutz dienen

Nachhaltiges Investieren beinhaltet auch die Herausforderung, Krisen zu überstehen, meint der Anlageprofi. Das Mittel der Wahl beim Wahre-Werte-Depot ist Streuung. Das Depot enthält derzeit 29 Werte, mit 25 weiteren auf der Warteliste. Nach Ansicht Anton Vogelmaiers ist 30 die ideale Depotgröße: umfangreich genug, um eine gute Diversifikation aufzuweisen und das Risiko zu streuen, aber nicht so groß, dass der Überblick verloren geht.

Auch die konsequente Hinwendung zu Aktien ist für Anton Vogelmaier ein Kriterium für Nachhaltigkeit, anders als beispielsweise bei Währungen. Aktien seien Produktivkapital, so der Anlageexperte. Unternehmen erfüllen wichtige gesellschaftliche Aufgaben: sie beschäftigen Mitarbeiter, zahlen Steuern und forschen. Edelmetalle dagegen seien ein toter Wert, der nur im Tresor herumliegt.

Aus diesem Grund würden Unternehmen immer mehr Wert schaffen als andere Anlageformen, so Anton Vogelmaier. Und deshalb würden sich Aktien auch grundsätzlich besser entwickeln als andere Investments. Das sei auch der Grund dafür, dass sie am besten gegen Inflation schützen.

Die Idee des Wahre-Werte-Depots lässt sich durchaus auch auf bereits existierende grüne Investments anwenden. Eine Verschärfung existierender Auswahlkriterien kann dem Anlageprodukt einen deutlichen Qualitätsschub verleihen.