Frank Uwe Liefländer – Welche Aufgaben übernimmt eigentlich ein Dirigent?
Dirigenten sind Menschen im Frack, welche vor einem Chor und/oder Orchester musikalische Figuren in die Luft malen. Abseits des Klischees reicht der Beruf allerdings viel weiter: Als musikalische Leiter und Organisatoren fließt die Musik bei Dirigenten zusammen, was bei Chören und Orchestern eine unverzichtbare Aufgabe bleibt.
Mit dem Beruf des Dirigenten verhält es sich wie bei anderen spezialisierten und eher unkonventionellen Berufen auch: Die öffentliche Erscheinung und die tatsächliche Tag-zu-Tag Tätigkeit könnten kaum unterschiedlicher sein. Denn keineswegs besteht der Beruf des Dirigenten ausschließlich daraus, einem Orchester den richtigen Takt zu geben. Sicher, die Kernkompetenz liegt im Dirigieren und allen Details, die damit in Verbindung stehen. So muss ein Dirigent zum Beispiel prüfen, ob die Bogensätze der Geiger in den Orchesterpartituren mit der eigenen Phrasierungsvorstellung übereinstimmen.
Planung, Organisation und Public Relations
Aber damit erschöpft sich die Tätigkeit des Orchesterleiters längst nicht. Bereits als junger Dirigierstudent war ich immer wieder erstaunt, dass selbst bei kleineren Chören und Orchestern eine Menge an Verwaltungs- und Organisationsarbeit anfällt, die nur vom Dirigenten selbst erledigt werden können. Neben Entscheidungen bezüglich des Saisonrepertoires muss sich ein Dirigent immer wieder auch in Meetings mit den Finanzverantwortlichen behaupten, wird in praktische Entscheidungen des Konzertsaales eingebunden. Hinzu kommen Gewerkschafts-Meetings, eine detaillierte Probe- und Konzertplanung, Abstimmungen bezüglich der jeweiligen Marketingstrategie sowie Pressearbeit und Public Relations. Natürlich darf ein Dirigent dabei nie vergessen, die eigentliche Partitur für das nächste Konzert zu studieren.
Viele Menschen gehen davon aus, dass die eigentliche mysteriöse Tätigkeit eines Dirigenten, als „stummer“ Musiker durch lautlose Gesten die schönsten Klänge zu erschaffen, den größten Anteil des Berufs ausmacht. Aber ähnlich wie ein Astronaut die meiste Zeit mit Vorbereitungen verbringt und verhältnismäßig wenig Zeit im All verbringt, besteht auch das Dasein als Dirigent aus einer Reihe von Tätigkeiten, bei denen das eigentliche Dirigieren nicht den größten Teil einnimmt. In meinem Fall handelte es sich bestenfalls um ein Prozent der tatsächlichen Arbeit.
Als Student hatte ich dabei immer die Hoffnung, dass ich ‚nur‘ noch Musik machen würde, sobald meine Karriere richtig angefangen hätte. Diese Hoffnung wurde allerdings von dem großen Dirigenten Günther Herbig zerstört, als er mir im Jahre 1990 in Toronto solche Rosinen aus dem Kopf zog: Mit silberhellem Gelächter über meine Naivität sagte er mir: „Oje, lieber Frank, wenn du mal ganz oben bist, die großen Orchester und Chöre dirigierst, die Welt umreist, erst dann, mit viel Glück und Talent, wird das Dirigieren vielleicht 5 Prozent deines Lebens sein.“ Fakt ist: Der Beruf des Dirigenten ist ein komplexes Tätigkeitsfeld, das am Ende des Tages zwar stets der Musik dient, aber auf keinen Fall ausschließlich aus musikalischen Tätigkeiten besteht.
Über Frank Uwe Liefländer
Frank Uwe Liefländer ist Assistenz-Professor der Kirchenmusik und arbeitet seit 35 Jahren als Dirigent. Nach längerer Tätigkeit im Ausland ist Liefländer inzwischen wieder nach Deutschland gezogen und arbeitet heute als Kirchenmusiker für die Diözese Augsburg.
- Redakteur und Archivleiter von tagesblog.de
- Cross Media Communications B.A.
- Jahrgang 1984
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