Geplante Ausbesserung bei verschärftem Gesetz gegen sexualisierte Gewalt bei Kindern

Erst 2021 wurde das deutsche Gesetz zur Verbreitung, dem Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte verschärft. Seitdem gilt die Verbreitung solcher Inhalte, primär in Form von Fotos und Videos, auch strafrechtlich als Verbrechen. Doch was im Kern notwendig und gut gemeint war, erweist sich immer deutlicher als nicht gut durchdacht. So trifft eben diese Verschärfung immer häufiger die Falschen. Dabei bleiben sowohl personelle als auch finanzielle Mittel auf der Strecke, die im Kampf gegen die eigentliche Pädokriminalität dringend benötigt werden.

Bereits im November 2022 wurde auf der Konferenz der Justizminister Deutschlands gemeinsam die Intention formuliert, den erst 2021 verschärften § 184b des Strafgesetzbuchs zu korrigieren und insgesamt wieder etwas abzuschwächen. Darauf haben sich kürzlich auch die Parteien der amtierenden Ampelkoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP verständigt. Man wolle eine rasche Gesetzesänderung, so Johannes Fechner, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD.

Die Verschärfung des Gesetzes im Kampf gegen die Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder, also primär kinderpornographischer Inhalte in Bild- und Videoform, galt als überaus essenzielles und angesehenes Projekt der damaligen Großen Koalition. Diese wurde, trotz zahlreicher Bedenken und Einwände von Experten, im Sommer des Jahres 2020 verabschiedet. Seinerzeit wurde die Verschärfung unter anderem für eine potenzielle Überlastung des Rechtssystems kritisiert, welche letztlich auch eingetreten ist. Anlass für den Wunsch nach einer drastischen Verschärfung des Gesetzes waren unter anderem die Missbrauchsfälle von Bergisch-Gladbach, Münster oder auch in Lügde.

Gut gemeint, unüberlegt umgesetzt

Grund für die immer lauter werdenden Rufe nach einer erneuten Anpassung des aktuellen Gesetzes sind immer mehr Verfahren, welche sowohl die Polizei als auch die Gerichte in ganz Deutschland nicht nur mehr und mehr vereinnahmen, sondern auch immer häufiger vollkommen überlasten. Das Problem: Zeit, Personal und Gelder werden eben nicht nur für wirkliche Fälle eingesetzt, in denen kriminelle Pädophile pornographische Videos und Fotos von schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern, Kleinkindern oder Säuglingen erwerben und verbreiten.

Vielmehr geraten immer mehr Lehrer:innen oder auch Eltern unbeabsichtigt ins Visier, etwa jene, die zum Beispiel ein in der WhatsApp-Gruppe der Schulklasse sorglos verbreitete Nacktfotos oder heikle Videos von Minderjährigen zur Beweissicherung speichern und an andere Eltern oder Lehrer weiterleiten. Sobald solche Inhalte über gängige Portale wie etwa WhatsApp, Instagram oder Facebook geteilt werden, wird das Bundeskriminalamt in Deutschland in den meisten Fällen von den zuständigen Stellen und Behörden aus den USA automatisch auf die Verbreitung solcher Inhalte mit dem Verdacht auf Kinderpornographie hingewiesen.

Unabhängig von den „Täter:innen“ sowie deren noch so gut gemeinte Intentionen müssen die deutschen Ermittlungsbehörden solche Fälle nach der erfolgten Verschärfung des Gesetzes nun vor Gericht bringen, vollkommen unabhängig von Kontext und der Schwere des Vorfalls. Die nun diskutierte Anpassung des Gesetzes gegen sexualisierte Gewalt bei Kindern soll etwa einen minder schweren Fall einführen, durch welchen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte vor einer weiteren Überlastung durch zu viele Bagatelldelikte geschützt werden sollen.

Wenn Boten statt Täter ins Visier genommen werden

Laut Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) führe die bisherige Nichtexistenz solcher minder schweren Fälle letztlich auch dazu, dass Länderpolizeien sehr viele Ermittlungsverfahren ohne einen wirklichen pädokriminellen Hintergrund führen müssten, etwa gegen die bereits erwähnten Eltern oder Lehrkräfte, welche entsprechende Fotos und Videos zur Beweisausnahme sichern und eventuell weiterleiten. Für solche und ähnliche Fälle sollen bereits rund 50 Prozent der vorhandenen Ressourcen „verschwendet“ werden. Das Problem: Immer weniger Zeit, Personal und Ressourcen bleiben damit für die eigentlichen Verbrechensfälle übrig.

Verbände, die sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt einsetzen, befürchten zudem, dass immer mehr Menschen vor einer Strafanzeige zurückschrecken könnten, da diese nach aktueller Gesetzeslage unabhängig von der eigentlichen Intention schnell selbst ins Visier der Strafverfolgung gelangen könnten. Heikles Beweismaterial würde deswegen im Zweifelsfall eher vernichtet als weitergeleitet und bei einer Anzeige eingesetzt werden. Von nahezu allen Seiten wird daher eine schnelle Anpassung und Ergänzung des verschärften „Gesetzes zur Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte“ gefordert.

Mehr zu den Themen Sexualstrafrecht und Sexualdelikte gegen Kinder und Jugendliche erfahren Sie hier und hier.