Investmentverhalten bei Frauen: Genderfonds contra ESG-Anlagen

Anlageberater*innen bestätigen immer wieder: Frauen zeigen ein anderes Anlageverhalten als Männer. Insbesondere bei der Frage, ob das Thema Geschlechtergleichstellung oder Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen soll, zeigen Frauen eine unerwartete Hinwendung zu grünen Themen. Bisher ist noch keine Lösung in Sicht, die beide Themen in angemessener Weise miteinander verbindet.

Der Investmentmarkt hat auf Anlegerinnen längst reagiert: Genderfonds investieren in Unternehmen, die eine überdurchschnittlich hohe Quote an Frauen in Führungspositionen aufweisen. Sie sind meist als aktiv gemanagte Fonds, als Aktienfonds oder als ETFs erhältlich. Ein anderes Kriterium bei Genderfonds ist die besondere Betonung von Gleichstellungsthemen wie Equal Pay. Doch Genderfonds leiden an einem Geburtsfehler: Sie enthalten in der Regel konventionelle Werte, die in großen Teilen ESG-Kriterien direkt widersprechen. Das stellt Frauen bei der Anlageentscheidung vor eine schwierige Entscheidung.

Anlegerinnen bevorzugen nachhaltige Investmententscheidungen

Was bei Untersuchungen zum Anlageverhalten von Frauen überrascht: Die Mehrzahl der Investorinnen ist bereit, für ihre Entscheidung, ESG-Kriterien in den Vordergrund zu stellen, Fragen zur Geschlechtergleichstellung in den Hintergrund rücken zu lassen. Das ist der Grund dafür, dass sich das Anlagevolumen bei Genderfonds noch sehr in Grenzen hält.

Genderfonds haben eine weitere Systemschwäche: Da sich der Anteil weiblicher Führungskräfte noch nicht im gewünschten Maß entwickelt hat, ist die Auswahl an geeigneten Unternehmen begrenzt. Die Folge: Genderfonds können nur aus einer geringen Menge geeigneter Investitionen wählen. Die weitere Filterung nach ESG-Kriterien würde die Auswahl noch weiter einschränken.

Dabei sind Genderfonds im Grunde eine gute Idee: Die Förderung des weiblichen Anteils an der Unternehmensführung oder die Betonung von Gleichstellungsthemen wäre im Grunde bereits in sich ein ESG-Kriterium, und zwar bei den sozialen Gesichtspunkten. Das ist weit mehr als eine rein geschlechterpolitische Maßnahme: Weiblich dominierte Unternehmen entwickeln oft eine spezielle Unternehmenskultur, insbesondere bei Fragen der Risikobereitschaft und bei sozialen Aspekten.

Weibliche Anlageberater betonen ESG – vor Gender

Der aktuelle Anlagemarkt weist derzeit noch einen unsinnigen Antagonismus auf: ESG gegen Genderfonds. Wer das eine möchte, muss auf das andere verzichten. Dabei sind beide gesellschaftlichen Themen buchstäblich dazu prädestiniert, in gemeinsamen Anlageprodukten vereinigt zu werden.

Die Themen Gleichstellung von Mann und Frau, Equal Pay und eine höhere Frauenquote in den Vorstandsetagen sind ein typisches ESG-Kriterium, das allerdings in den meisten existierenden ESG-Anlageprodukten nicht oder nur untergeordnet vorkommt. Hier wäre leicht Abhilfe zu schaffen: durch die Erweiterung der ESG-Definition im Bereich Soziales um Frauenthemen.

Dabei müsste die Gender-Formel nicht global auf den gesamten ESG-Markt Anwendung finden. Denkbar wäre ein eigener Sektor, der dieses Feld bedient: Gender-ESG (GESG). In solchen Produkten ließe sich der soziale Faktor um die erwähnten Frauenthemen erweitern. Auch könnten Gender-orientierte ESG-Fonds Unternehmen der Mikrofinanzierung enthalten, also Organisationen, die Kleinstkredite in Entwicklungsregionen ausgeben.

Gender-ESG hängt von der gesellschaftlichen Entwicklung ab

Das generische Problem der Genderfonds würde auch Gender-ESG betreffen. Es gibt noch zu wenige Unternehmen, die sich Frauenthemen ernsthaft zuwenden. Daher ist die Auswahl geeigneter Unternehmen für ein Gender-ESG-Produkt erheblich eingeschränkt. Ein breites Portfolio an GESG-Produkten hängt also davon ab, wie sich die Gleichstellung von Mann und Frau im unternehmerischen Umfeld weiterhin entwickelt.

Noch besteht auf diesem Gebiet europaweit noch Nachholbedarf. Die Frauenquote in Führungspositionen ist in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten verbesserungswürdig. Und Deutschland liegt mit einem Frauenanteil von 29 Prozent abgeschlagen im hinteren Feld, nur vor Italien und Luxemburg. Hier ist noch ein weiter Weg zu gehen – auch im Interesse gendergerechter ESG-Produkte.

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