Nachhaltigkeit in der Versicherungswirtschaft – vielfach noch Neuland

Dass nachhaltiges Investieren auch für Versicherungen ein Thema der Stunde ist, hat sich in der Branche noch nicht endgültig durchgesetzt. Hier möchte Marie-Luise Meinhold für ihr Unternehmen Verde mit dem für den Herbst angestrebten Erwerb einer Versicherungslizenz Neuland betreten. Dabei geht es sowohl um nachhaltiges Investieren, beispielsweise zur Finanzierung der Versicherungslizenz, als auch um die Einhaltung von Nachhaltigkeits– und Complianceregeln beim Eigenbetrieb.

Die Wegmarken von Verde sind auf intensives Wachstum ausgerichtet: Ab Frühjahr 2023 will das Unternehmen mit Unfall-, Hausrat- und Haftpflichtversicherungen starten, dazu kommen ab 2024 gewerbliche Versicherungen. Das strategische Ziel sind Umsätze im dreistelligen Millionenbereich, nicht zuletzt durch die Ausweitung des Geschäfts von Deutschland auf Europa.

Nachhaltigkeit nach innen und außen

Bei den Investments will Verde seinem Namen alle Ehre machen und sich ausschließlich auf ESG-konforme Anlagen konzentrieren. Geschäftsfelder wie Kohle oder Waffen sind von vorneherein ausgeschlossen. Stattdessen stehen Themen wie Biodiversität im Vordergrund, wie beispielsweise beim Engagement in die Anleihe der französischen Region Ile-de-France.

Weitere Felder, auf die sich Verde bei seiner Investitionspolitik fokussieren will, sind Projekte für erneuerbare Energien und die Steigerung von Energieeffizienz. Erfahrungen mit Green Invest hat Marie-Luise Meinhold bereits von Anfang an gesammelt. Seit der Gründung von Verde im Jahr 2017 hat sich das Unternehmen mit nachhaltigen Anlageprodukten beschäftigt. Dieses Know-how und das damit verbundene Vertrauenspotential möchte die Unternehmerin nun in den neuen Versicherungssektor einbringen.

Doch auch im alltäglichen Geschäftsbetrieb soll Verde konsequent ESG-konform agieren. So nutzt das Unternehmen ausschließlich Ökostrom und lagert seine Guthaben bei der sozialökologisch ausgerichteten GLS Bank. Die Mitarbeiter*innen sind angewiesen, für den Arbeitsweg und Geschäftsreisen Fahrrad und Eisenbahn zu nutzen.

Beginnender Umdenkprozess bei klassischen Versicherern

2021 hat sich das Volumen nachhaltiger Investments bei institutionellen Anlegern um 26 Prozent auf rund 233 Milliarden Euro gesteigert. Eine ständig wachsende Rolle spielen dabei Versicherungsgesellschaften, wenn sich auch ihr Anteil derzeit noch auf niedrigem Niveau bewegt.

Dennoch scheinen die Weichen in Richtung ESG gestellt zu sein. Im erstmals erschienenen Nachhaltigkeitsbericht des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft ist zu lesen, dass rund 80 Prozent der direkt oder indirekt gehaltenen Kapitalanlagen nach ESG-Kriterien angelegt sind.

Nach Angaben des Verbands führen fast alle Versicherungsunternehmen für ihre Investmentvorhaben Negativlisten, die bestimmte Bereiche wie Kohle explizit ausschließen. Keine näheren Angaben sind allerdings über die konkreten Ausschlusskriterien zu erfahren, beispielsweise zur Frage, ob die Negativlisten auch Brückenlösungen wie Gas und Atomkraft umfassen.

“Letztlich glauben wir, dass Nachhaltigkeit und Inklusion der beste Weg sind, unser Potenzial für Wachstum und Wertschöpfung zu realisieren“, erklärt Allianz-Chef Oliver Bäte in einem Interview mit dem Handelsblatt. Man wolle “einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft für die Welt und die Gesellschaften leisten, in denen wir leben und arbeiten”. Laut Konzernangaben beträgt das Investitionsvolumen der Allianz in nachhaltige Anlageprodukte 123 Milliarden Euro.

Hinwendung zum Impact Investing bei Verde

Während bei den klassischen Versicherungen in Sachen ESG derzeit noch ein Hang zur Minimallösung vorzuherrschen scheint, will Verde deutlich über ESG-Vorgaben hinausgehen. So gilt für die Anlagestrategie das Prinzip des Impact Investing, also der Vorzug für Investments, die durch konsequente Nachhaltigkeit Einfluss auf die staatliche Energiepolitik nehmen wollen.

Gerade Versicherungen könnten einen noch erheblich größeren Beitrag zu nachhaltigem Investieren leisten, davon ist Verde-Gründerin Marie-Luise Meinhold überzeugt. “Der Geld- und Finanzmarkt ist ein Machtfaktor, bei dem sich entscheiden wird, ob zum Beispiel die Transformation im Kampf gegen den Klimawandel gelingt. Viele unterschätzen den Hebel.“

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