Samira Langer-Lorenzani über die Selbstfürsorge für psychologische Berater: Die eigene Gesundheit sichern

Samira Langer-Lorenzani ist in der Traumapädagogik, Psychotraumatologie und Traumazentrierten Fachberatung tätig. Als erfahrene Praktikerin und Forscherin weiß sie aus erster Hand, wie wichtig es ist, sich um die eigene psychische Gesundheit zu kümmern, um anderen bestmöglich helfen zu können. Sie bietet Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der traumazentrierten Fachberatung.

Die psychische Gesundheit von Beratern und Therapeuten ist von entscheidender Bedeutung für ihre Arbeitsqualität und die Effektivität ihrer Interventionen. Trotzdem wird das Thema der Selbstfürsorge oft vernachlässigt. Doch bei allen Herausforderungen, denen man als Berater oder Therapeut gegenübersteht, sollte nicht vergessen werden, die eigene Resilienz zu stärken und einem Burnout vorzubeugen.

Die Realität der psychischen Gesundheit von Beratern

Studien zur psychischen Gesundheit von Beratern zeigen, dass diese Berufsgruppe einem erhöhten Risiko für Depressionen, Burnout, Mitgefühlsmüdigkeit, Ängste, Substanzmissbrauch und Suizidalität ausgesetzt ist. Trotz des verbreiteten Irrglaubens, dass Berater durch ihre Ausbildung vor psychischen Erkrankungen geschützt seien, zeigen die Daten das Gegenteil. Sowohl externe als auch interne Faktoren tragen zur Belastung bei, wobei insbesondere der hohe Anspruch an eigene Unverwundbarkeit ein Risiko darstellt. Die Ironie dabei ist, dass Berater oftmals selbst dem Irrglauben erliegen.

Was bedeutet es, die eigene Resilienz zu stärken?

Resilienz im Allgemeinen bezieht sich auf die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu bewältigen, sich an Veränderungen anzupassen und trotz Widrigkeiten erfolgreich zu sein. Für Berater und Therapeuten im Speziellen bezieht sich Resilienz auf die eigene Stressbewältigung. Die Stärkung der eigenen Resilienz ist für diese Berufsgruppe von großer Bedeutung. Die Arbeit mit psychisch belasteten oder kranken Menschen kann emotional belastend sein, besonders auch dann, wenn Schicksalsschläge dahinterstecken und oder man es mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat. Resilienz hilft dabei, mit dem Stress und der emotionalen Belastung umzugehen.

Gesundheitliche Anforderungen und Risikofaktoren

Die Anforderungen des Berufs setzen Berater einem hohen Maß an emotionaler Belastung aus. Sie müssen in der Lage sein, sich einfühlsam auf ihre Patienten einzustellen, gleichzeitig aber auch eine angemessene Distanzierung aufrechtzuerhalten, um ihre eigenen Grenzen zu schützen. Die Arbeitsumgebung, sei es in Kliniken oder in privaten Praxen, kann zusätzlichen Druck durch Zeit- und Leistungsdruck sowie finanzielle Verantwortung erzeugen.

Auswirkungen auf die Arbeit mit Patienten

Die psychische Beeinträchtigung von Beratern wirkt sich direkt auf die Qualität ihrer Arbeit aus. Burnout-Symptome wie emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und verringerte Leistungsfähigkeit können zu einer distanzierten und weniger effektiven Betreuung der Patienten führen. Diese wiederum erleben möglicherweise eine geringere Bereitschaft, sich auf die Therapie einzulassen, was die Erfolgschancen der Behandlung mindert. Eine gestärkte Resilienz hilft hier, die Empathie aufrechtzuerhalten – auch dann, wenn man mit vielen emotionalen Belastungen konfrontiert ist. Berater und Therapeuten, die ihre Resilienz stärken, können einfühlsam bleiben, ohne von den Emotionen anderer überwältigt zu werden, wovon die Patienten profitieren.

Selbstfürsorge als Pflicht

Um Burnout vorzubeugen und die eigene Arbeitsqualität zu sichern, ist Selbstfürsorge unerlässlich. Dies beinhaltet eine regelmäßige Reflexion des eigenen Stressniveaus und der individuellen Bedürfnisse sowie die Anwendung geeigneter Selbstfürsorgemaßnahmen. Dazu gehören eine achtsame Selbstreflexion, die Analyse von beruflichen und privaten Ansprüchen, die Anwendung von Abgrenzungs- und Distanzierungstechniken sowie ein erfüllendes Privatleben mit ausreichender Regeneration.

Tipps für praktische Selbstfürsorgestrategien, die erfahrungsgemäß helfen

  • Selbstreflexion und Achtsamkeit: Regelmäßige Reflexion des eigenen Stressniveaus und der persönlichen Bedürfnisse.
  • Work-Life-Balance: Überprüfung und Anpassung beruflicher und privater Ansprüche, um ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Erholung zu finden.
  • Abgrenzung und Distanzierung: Entwicklung von Techniken zur Abgrenzung von beruflichen Belastungen und zur Erhaltung persönlicher Grenzen.
  • Nutzen von Bewältigungsstrategien: Entwicklung eines Repertoires an Bewältigungsstrategien.
  • Selbstkenntnis und Schutzstrategien: Entwicklung von Schutzstrategien zur Vermeidung von Überlastung.
  • Regeneration im Privatleben: Pflege eines erfüllten Privatlebens, das Grundbedürfnisse wie Bewegung, soziale Kontakte und Vergnügen erfüllt.
  • Soziale Unterstützung: Aufbau eines unterstützenden Netzwerks von Kollegen und Freunden, um sich gegenseitig zu stärken und zu unterstützen.

Jeder Berater, jeder Therapeut sollte es als Teil seiner beruflichen Pflicht ansehen, auf die eigene Gesundheit zu achten und Zeit und Arbeit auch in die Selbstfürsorge zu investieren. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Belastungsfaktoren und die Anwendung geeigneter Selbstfürsorgestrategien können sie nicht nur Burnout vorbeugen, sondern auch ihre Arbeitsqualität und die Wirksamkeit ihrer Interventionen verbessern. Es ist an der Zeit, das Thema der Selbstfürsorge als integralen Bestandteil der professionellen Praxis zu etablieren.

 


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