Gesundheitswesen auf dem Weg zum mündigen Patienten

Weg von der Instituts-zentrierten Sicht und hin zu einem patientenorientierten Gesundheitssystem – das war das Fazit der 25. Plattform Gesundheit des IKK e.V. Unter dem Motto „Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ erörterten Vertreter*innen aus Gesundheitswirtschaft, Wissenschaft und Politik die Rolle von Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen. Das Forum wurde durch die Zuschaltung von 110 externen Teilnehmer*innen ergänzt.

Nicht weniger als einen Paradigmenwechsel forderten die Forumsteilnehmer, und das mit dem Ziel, existierende Daten besser verfügbar und auswertbar zu machen. Es gehe um weit mehr als die reine Darstellung der Ergebnisqualität. Vielmehr müsse es im Gesundheitswesen zu einer auf den oder die Patient*in ausgerichtete Qualitätsberichterstattung kommen.

Im Mittelpunkt steht der Patient

Es gehe darum, patientenrelevante Daten in einer verbraucherfreundlichen Form bereitzustellen, also situations- und adressatengerecht. Erst so käme der Zugang auf einem niederschwelligen Zugriffsniveau zustande.

Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung beklagen 64 Prozent aller Patienten bei der Suche nach einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung einen spürbaren Mangel an sachgerechter Information, so IKK e.V.-Vorstandsvorsitzender Hans Peter Wollseifer in seiner einführenden Rede. „Genauso wie die Kundinnen und Kunden des Handwerks müssen sich Patientinnen und Patienten darauf verlassen können, dass in Arztpraxen und im Krankenhaus grundsätzlich eine hohe Qualität der Behandlung gewährleistet wird“, begründete der Interessenvertreter seine Forderung.

Patientenorientierung erfordert gemeinsame Anstrengungen

Nicht nur die Leistungserbringer müssten Anstrengungen unternehmen, um eine konsequent auf den Patienten zugeschnittene Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Das gleiche gelte auch für die Arbeit der Krankenkassen, so Hans Peter Wollseifer.

Die Innungskrankenkassen, deren Interessen der Verein vertritt, wünschen sich einen echten Leistungs- und Qualitätswettbewerb, der vom Patienten und Versicherten aus konzipiert ist. „Hier ist Transparenz ein entscheidender Faktor“, erläutert der Vereinsvorsitzende. „Die Versicherten sollen qualifiziert entscheiden können, bei welcher Kasse sie versichert sind.“

Vereinfachung als politisches Ziel

Über die gesellschaftlichen Auswirkungen eines zu komplexen und unüberschaubaren Gesundheitswesens sprach Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen. Sie gab zu bedenken, dass angesichts der aktuellen Situation viele Patient*innen ratlos und überfordert sind (Stichwort digitale Gesundheitskompetenz), sobald sie mit dem deutschen Gesundheitswesen in Berührung kommen.

Dazu gehörten neben der Struktur- und Prozessqualität noch eine Reihe weiterer Faktoren, so Fragen der Patienteninformation und Nutzerbeteiligung. „Man muss den gesamten Patientenweg in den Blick nehmen“, fasst die Grünen-Politikerin das Problem aus der Sicht ihrer Partei zusammen.

Trotz der international angespannten Lage werde die Regierung die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele weiter im Auge behalten, versprach Maria Klein-Schmeink – auch unter der aktuellen Pandemiesituation. „Wir kommen um die im Koalitionsvertrag verabredeten Reformen nicht herum, sie sind überfällig“, bekräftigt die Politikerin.

Im Zentrum des Interesses ständen dabei eine wohnortnahe und sektorenübergreifende Versorgung, die intensiv betriebene Digitalisierung, eine Krankenhausstrukturreform und eine Verstetigung der von der Bundesregierung betriebenen Unabhängigen Patientenberatung. Sie solle sich zu einer zentralen Anlaufstelle für Patienten weiterentwickeln.

Patientensouveränität als Risikofaktor

Ein warnendes Zwischenwort zum Thema Patientensouveränität kommt von Dr. Eva Maria Bitzer, Professorin für Medizin in der Gesundheitspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Obwohl die Diskussion darüber schon seit mehr als zwanzig Jahren andauere, habe sich zu diesem Thema bisher noch kein Konsens eingestellt.

Mit Sorge betrachtet die Wissenschaftlerin den Trend, Verantwortung für Gesundheitsfragen auf den Patienten abzuwälzen. „Gesundheitskompetenz stärken heißt nicht, Patienten zu Ärzten zu machen und Verantwortung abzugeben“, mahnt Dr. Bitzer.

Stattdessen käme es auf mehr Patientenorientierung im Gesundheitssystem an, so die Professorin. Es gelte, für alle Menschen die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen sie Fragen der Gesundheit kompetent entscheiden können. Erst das macht ein effektives Selbstmanagement möglich.

 

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