BANI und VUCA: Neue Denkmodelle für Unternehmen

Ein Gastbeitrag von Prof. Christian Schmidt, MPH

Definitionen und Vergleich der Führungsmodelle „VUCA“ und „BANI“.

Nach VUCA kommt BANI

VUCA ist ein Akronym, das volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig bedeutet. Der Begriff hat sich in den späten 80er Jahren nach dem kalten Krieg entwickelt und wurde Anfang der 2000er Jahre in die Strategie vieler Unternehmen aufgenommen.

VUCA hat sich in den letzten Jahrzehnten als ein nützlicher Denkansatz erwiesen, um in einer von schnellen und verwirrenden Veränderungen in Technologie und Kultur geprägten Welt gute Entscheidungen zu treffen.

Als Folge wurden neue Instrumente und Führungsansätze geschaffen, um diesen Wandel zu bewältigen. Zu nennen sind hier Zukunftsdenken, Simulation von Szenarien sowie agile und selbstorganisierende Unternehmen. Diese Tools helfen Unternehmen zu verstehen, was die VUCA-Umgebung ausmacht und wie darauf reagiert werden kann.

Doch in der heutigen Zeit scheint VUCA uns immer weniger nützliche Erkenntnisse zu bringen. Woran liegt das?

Die Welt des Chaos verstehen

Die heutige Welt ist von Chaos (Kriege, Massenmigration, Klimawandel und Pandemien) geprägt. Um hier gute Entscheidungen für Unternehmen zu treffen, muss das Denkmodell erneut angepasst werden.

VUCA kann die Dynamik dieses Wandels nicht mehr ausreichend genug beschreiben. Hier kommt BANI ins Spiel.

BANI

BANI steht für Brittle (brüchig), Anxious (ängstlich, besorgt), Non-linear (nicht-linear) und Incomprehensible (unbegreiflich).

Wofür stehen die einzelnen Akronyme?

Brittle

Brittle steht für „spröde und brüchig“. Wenn etwas brüchig ist, dann ist es anfällig für plötzliches Versagen. Ein sprödes und brüchiges System scheint auf den ersten Blick zu funktionieren, bis es dann plötzlich auseinanderbricht.

Als Beispiel sind hier landwirtschaftliche Monokulturen oder komplexe IT-Systeme zu nennen. Da unsere Kernsysteme häufig miteinander vernetzt sind, kann das Versagen einer Komponente häufig zu einer Kaskade von Ausfällen führen.

Anxious

Anxious steht für „ängstlich und besorgt“. Angst verursacht Hilflosigkeit und geplantes Scheitern. Angst führt aber auch zu Passivität und fehlenden Entscheidungen. Dies ist für Unternehmen gefährlich, denn Angst ist kein guter Ratgeber.

Hinzu kommt, dass die tägliche Berichterstattung bzw. unser Medienalltag darauf ausgelegt ist, weitere Angst und Unsicherheit zu fördern. Die Situation wird dadurch aggraviert.

Non-linear

Non-linear steht für „nicht-linear“. In einer nicht-linearen Welt sind Ursache und Wirkung voneinander unabhängig. Ein gutes Beispiel dafür ist die COVID-19 Krise. Ausmaß und Umfang der Pandemie gingen weit über alles hinaus, was bisher bekannt war.

Vor allem die unterschiedliche Geschwindigkeit der Ausbreitung sorgte für Irritation: War es an einem Ort gelungen, die Infektionsrate zu senken, waren an anderer Stelle exponentielle Ausbreitungsraten zu verzeichnen. Dieses nicht lineare und damit schwer verständliche Muster konnte mit bestehenden Lösungsansätzen nicht beherrscht werden.

Incomprehensible

Incomprehensible steht für „unverständlich“. Ähnlich wie bei nicht linearen Gegebenheiten erscheinen manche Entscheidungen, beispielsweise in der Politik, unlogisch oder sinnlos. Dabei lässt sich nicht erklären, warum etwas so umgesetzt bzw. entschieden wurde oder warum etwas passiert ist.

Wir versuchen Antworten zu finden, aber die Antworten ergeben keinen Sinn. Die fehlende Logik führt dann zu Überforderung der Mitarbeiter und Führungskräfte. Leider löst auch ein mehr an Information das Problem nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall: Zu große Informationsflut führt zu mehr Unverständlichkeit.

Wie strukturieren wir das Chaos?

Das BANI-Denkmodell liefert eine Struktur, mit der die unterschiedlichen Handlungsfelder bewertet und sortiert werden können. Für die einzelnen Themenfelder gibt es Normstrategien, die helfen können, den Herausforderungen erfolgreich zu begegnen:

  • Sprödigkeit kann durch Belastbarkeit und Resilienz begegnet werden
  • Angst kann durch Empathie und Achtsamkeit gemildert werden
  • Nichtlinearität erfordert Kontext und Adaptivität
  • Unverständlichkeit verlangt nach Transparenz und Intuition
Vergleich VUCA mit BANI
VUCA und BANI im Vergleich (Quellen: https://stephangrabmeier.de/bani-vs-vuca/#infografik, https://medium.com/@cascio/facing-the-age-of-chaos-b00687b1f51d)

Belastbarkeit und Resilienz

Ein resilientes System hält Belastungen von außen stand und kehrt immer wieder in den Ursprungszustand zurück. Durch organisationale Resilienz können spröde Stellen schnell aufgedeckt und stabilisiert werden.

Ein flexibler Umgang mit Stressfaktoren und eine hohe Bereitschaft von Mitarbeitern, Veränderungen rasch umzusetzen sind dabei kritische Erfolgsfaktoren.

Empathie und Achtsamkeit

Beide Faktoren gehören zusammen. Empathie bezeichnet die Fähigkeit, Emotionen, Gedanken und Absichten seines Gegenübers zu erkennen und sich in die Situation des anderen einfühlen zu können. Bei Achtsamkeit geht es darum, intensive Aufmerksamkeit auf die Gegenwart zu richten. Dabei wird die aktuelle Situation akzeptiert und der Moment bewusst wahrgenommen.

Das kann bei der Fülle an Desinformation, die als größter Angst-Treiber der heutigen Zeit gilt helfen, nicht sofort in Panik zu verfallen, sondern der aufkommenden Angst mit Klarheit und Selbstbewusstsein, also achtsam, zu begegnen.

Kontext und Adaptivität

Der Mensch hat die letzten 100.000 Jahre überlebt, weil er in der Lage war, sich an verschiedene neue Situationen und Kontexte anzupassen. Er konnte mit den daraus folgenden Ergebnissen flexibel umgehen, ohne sofort nach Ursache und Wirkung zu fragen.

Damals wie heute geht es darum, wie man aus einer neuen Situation das Beste macht. Eigentlich ist das selbstverständlich, doch in unserer schnelllebigen Welt muss diese Kernkompetenz heute wieder bewusster aktiviert werden.

Transparenz und Intuition

Mit Transparenz können unverständliche Sachverhalte erklärt werden. Themenfelder, die wenig verständlich respektive wenig sinnhaft sind, beeinflussen die Zufriedenheit und Handlungsbereitschaft von Mitarbeitern. Daher muss die Information zum Verstehen eines Sachverhaltes so aufbereitet werden, dass sie wesentlich und verständlich beleibt, denn die Dosis macht bekanntlich das Gift.

Als Konsequenz kommt dem Wissensmanagement im Unternehmen eine wichtige Aufgabe zu. Bei der jetzigen Wissensfülle sollte also immer die Frage nach Relevanz, Beitrag zur Zielerreichung und Sinnhaftigkeit der Information gestellt werden.

So kann Transparenz geschaffen werden, wobei dies weniger nach festen Mustern als nach einer von diesen Fragen geleiteten Intuition erfolgen sollte, also nach dem Grundsatz: Hilft es dem Mitarbeiter zum Verstehen oder nicht?

Fazit

Vieles, was in den Modellen erwähnt wird, erscheint logisch, selbstverständlich und mit gesundem Menschenverstand begreifbar. Warum also diese Modelle?

Große Organisationen neigen häufig dazu, parallele Interpretationen von Themen und deren Lösungen zuzulassen. Darüber hinaus sind die Informationsflut und Fülle der gesetzlichen Regulative unserer Arbeitswelt häufig überfordernd.

Schließlich prägen nach Corona Komplexität, Dynamik und ein klares „Wofür“ die Geschäftslogik vieler Unternehmen. Diese „Next Generation of Business“ agieren ganzheitlich und systemisch. Hier kann ein Denkmodell wie BANI helfen, Ordnung in das Chaos zu bringen.

BANI ist daher das Modell, das die Dynamik der heutigen Trends und des Zeitgeistes aufnimmt und Unternehmen hilft, die Herausforderungen besser zu verstehen. Unternehmensstrategie und Führungsverhalten können so aktiv angepasst und der Weg des Erfolges weiterverfolgt werden.

Insgesamt sind die Maßnahmen gegen die BANI-Herausforderungen wichtige Führungsaufgaben, die es im Unternehmen zu kultivieren gilt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie lange BANI diese Aufgabe erfüllen kann, denn der nächste Trend kommt bestimmt.

 

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